31 August 2006

Traumdeutung, Übungen für Fortgeschrittene

Nachdem man sich durch die Grundübungen im vorherigen Kapitel ausreichend vorbereitet hat, kann man zu schwierigeren Übungen mit abstrakteren Inhalten übergehen. Sie helfen besonders gut bei der Traumdeutung.

Übung 4

Neben dem bildhaften Vorstellungsvermögen trainiert man durch diese Übung besonders gut die Fähigkeit zur Konzentration auf einen einzigen Inhalt (was nicht nur die Traumanalyse erleichtert). Überdies gewinnt man dadurch besseres Bewusstsein vom eigenen Körper.

Zuerst stellt man sich vor einen hohen Spiegel, faltet die Hände hinter dem Kopf und konzentriert sich 2 Minuten lang auf das eigene Spiegelbild. Der Blick soll dabei ruhig über den Körper streifen, nicht sprunghaft hin und her gehen. Dabei atmet man ruhig und gelassen.

Die ungewohnt lange Selbstbeobachtung empfinden manche Menschen als unangenehm, was oft auf ein gestörtes Körperbewusstsein hindeutet. Dann betrachtet man sich anfangs kürzer und steigert die Zeit nur langsam.


Meist tritt auch das Bedürfnis auf; sich zu bewegen, oder man nimmt ein Jucken und andere Missempfindungen wahr, denen man aber so lang wie möglich widersteht. Sobald man die Selbstbeobachtung gut beherrscht, wird sie allmählich bis auf 5 Minuten ausgedehnt.

Anschließend setzt oder legt man sich bequem nieder, schließt die Augen und lässt anfangs 2 Minuten, später bis zu 5 Minuten lang die Gedanken zwanglos kommen und gehen. Dann atmet man einmal langsam tief durch, nochmals langsam tief ein und stellt sich dabei intensiv im Geist vor: "Vor meinem inneren Auge erscheint nun ein Bild. Dieses Bild erfüllt mich jetzt vollkommen, daneben taucht keine andere Vorstellung mehr auf".

Es ist gleichgültig, welche Vorstellung sich dabei entwickelt, entscheidend ist, dass man sie aus dem Unbewussten aufsteigen lässt und konzentriert anfangs 2 bis 5 Minuten, später bis 15 Minuten lang festhält.


Wenn man das nach einiger Zeit gut beherrscht, kann man auch bei der Traumanalyse die Trauminhalte wieder sehr genau reproduzieren und deutliche Assoziationen dazu aus den Tiefen des Unbewussten emporsteigen lassen.

Zunächst tauchen meist triviale Vorstellungen auf: zum Beispiel Bilder von Objekten, die man unmittelbar zuvor wahrgenommen hat, oder Ereignisse des Alltags. Später kommen aber auch Bilder aus dem Unbewussten, die ähnlich wie die Träume sogar Rückschlüsse auf verdrängte psychische Inhalte zulassen.


Wer das lange genug übt, kann praktisch jederzeit Kontakt zum Unbewussten aufnehmen, seine Erfahrungen und Kreativität nutzen, ob es nun um die Deutung von Träumen oder um die Bewältigung von Alltagsproblemen geht.


Übung 5


Bei dieser zweiten Übung für Fortgeschrittene entwickelt man bildhafte Vorstellungen zu abstrakten Begriffen, zum Beispiel Frieden, Gerechtigkeit, Liebe, Freundschaft, Mut und Treue. Das erleichtert ebenfalls die Traumdeutung, weil in den Träumen ja häufig Abstraktionen vorkommen. Wenn man geübt hat, dazu entsprechende Bilder zu entwickeln, gelingt die Deutung besser.

Man setzt oder legt sich zu dieser Übung bequem nieder, schließt die Augen, atmet mehrmals gelassen und ruhig tief durch und lässt die Gedanken kommen und gehen. Dann stellt man sich einmal intensiv im Geist vor: "Vor meinem inneren Auge entsteht nun ein Bild, die Vorstellung von. .." (hier setzt man den abstrakten Begriff ein, mit dem man sich befassen will). Dann wartet man ab, welche bildhaften Vorstellungen dazu aus dem Unbewussten auftauchen.

Wenn das zu lange dauert, kann man sich zu dem Begriff zunächst gewissermaßen als Anstoß für das Unbewusste ganz bewusst verschiedene Aspekte ausmalen, bis die Bilder aus dem Unbewussten dazu emporsteigen.

Die bildhaften Vorstellungen sollen abstrakte Begriffe mit Leben errollen, damit sie konkretere Formen annehmen. Dabei entwickelt sich meist nicht nur ein einzelnes Bild, sondern es entstehen aneinandergereihte Vorstellungen, die verschiedene Ausdrucksformen des abstrakten Begriffs im täglichen Leben detailliert ausgestalten.

Man arbeitet immer nur mit einem Begriff, den man bei jeder Übung weiter ausgestaltet, bis keine neuen Vorstellungen dazu mehr auftauchen. Erst dann geht man zum nächsten Begriff über. Da es unzählige abstrakte Begriffe gibt, kann man diese Übung dauernd mit immer neuen Vorstellungen durchfuhren, um das bildhafte Vorstellungsvermögen zu trainieren.

Die verbesserte Vorstellungskraft kann auf verschiedene Weise für die Traumanalyse genutzt werden: Wichtig ist zunächst, dass man mit ihrer Hilfe die Traumerinnerung deutlich verbessern kann; dazu versucht man, den Traum vor der Aufzeichnung ins Traumtagebuch nochmals möglichst intensiv vorzustellen, damit er detailliert notiert werden kann.

Wenn man später mit der Traumanalyse beginnt, kann man zu den Notizen im Traumtagebuch erneut bildhaft das Traumgeschehen in Erinnerung rufen. Wer das gut beherrscht, kann den Traum fast wie einen Film nochmals vor dem inneren Auge ablaufen lassen, ihn jederzeit anhalten, um wichtige Teile genauer zu untersuchen, oder ihn zurückspulen, um verschiedene Passagen miteinander in Beziehung zu setzen.

Schließlich kann man bei gutem Vorstellungsvermögen zu den verschiedenen Trauminhalten auch noch bildhafte Assoziationen entwickeln, aus denen man die Bedeutungen leichter als aus Worten erkennt.

Allerdings kann es auch vorkommen, dass Träume in der nachträglichen Vorstellung verfälscht werden, also Träume mit neuen Inhalten und Aussagen entstehen. Das kann auf innere Widerstände zurück zu führen sein.

Deshalb kontrolliert man die Vorstellungen stets daraufhin, ob sie mit den ursprünglichen Aufzeichnungen im Traumtagebuch übereinstimmen. Stärkere Abweichungen davon deuten oft auf unbewusste Verfälschungen hin. Dann analysiert man den Traum besser mit Hilfe des Traumtagebuchs, das die ersten Erinnerungen festhält.

Unbedingt notwendig ist es nicht, zur Traumdeutung das Vorstellungsvermögen zu verbessern. Da man aber auch im täglichen Leben davon profitiert, sind die Übungen doch grundsätzlich zu empfehlen.

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