12 Juli 2006

Selbstmanagement: Das Gefühl, keine Kontrolle zu haben

Unter Perspektive verstehen wir hier unsere Einstellung gegenüber dem Maß an Kontrolle, das wir über unser Leben haben. Manche Menschen fühlen sich angesichts der Anforderungen, die die Welt an sie zu stellen scheint, hilflos und überfordert. Andere tun so, als hätten sie wirklich die totale Kontrolle über alles, was sie betrifft.

Bleiben wir für einen Augenblick bei dem Thema der persönlichen Kontrolle. Ich kann mich noch an den Tag erinnern, an dem ich zum ersten Mal in meinem Leben auf Skiern stand. Meine Frau und ich, beide Anfänger in diesem Sport, waren mit Freunden in einen wunderschönen Gebirgsort auf Skiurlaub gefahren.

Nachdem wir eine Stunde lang ungeschickt herumgerutscht waren, erklärten uns unsere Freunde Daniel und Julia geduldig die wichtigsten Grundbegriffe -zum Beispiel, wie man auf Skiern steht und den Eindruck erweckt, als ob man das nicht zum ersten Mal täte. Schließlich verkündeten sie, nun sei es Zeit für die erste Liftfahrt.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis mir eine schreckliche Erkenntnis dämmerte. Ich sah, dass die Liftsitze wieder herunter schwebten -leer. Daraus schloss ich, dass der Lift kein einziges Mal anhielt, um Leute aussteigen zu lassen!


Und das bedeutete, dass wir, ob es uns nun gefiel oder nicht, von der Bergstation auf Skiern abfahren mussten (in den sicheren Tod, das war mir klar). Zum Glück kam meiner Frau diese furchtbare Erkenntnis erst kurz vor der Bergstation -ansonsten wäre sie vielleicht schon früher abgesprungen.


Im Gegensatz zu meiner Frau und mir scheint es den meisten Kindern durchaus Spaß zu machen, die Kontrolle aufzugeben. Sie steigen in den Vergnügungsparks in alles, was sich irgendwie bewegt. Je bedrohlicher der Name, desto besser. Hochschaubahn, Knochenbrecher, Horror Mountain -sie sind ganz verrückt danach.


Aber diese Kinder werden erwachsen, und die Vernunft gewinnt die Oberhand. Wenn sie als Erwachsene dazu überredet oder auf andere Weise dazu gebracht werden, auf solchen Dingern zu fahren, dann tauchen vor ihrem geistigen Auge Bilder aller erdenklichen Gefahren auf, sie sehen sich Zusammenstöße erleiden oder verbrennen, und sie fahren nur, wenn sie unbedingt müssen.


Wenn uns auch viel Spaß entgeht, wenn wir älter werden, gibt es doch einen wichtigen Faktor, der für unsere konservative Einstellung spricht: Wir wollen wirklich die Kontrolle behalten. Den meisten von uns sind Situationen schrecklich unangenehm, in denen uns die Kontrolle entgleitet. So ist das Gefühl, im Beruf zu wenig Kontrolle über seinen Job zu haben, ein maßgeblicher Auslöser für Stress.


Außerhalb des Berufslebens versuchen die Leute, mit immer mehr Bällen auf einmal zu jonglieren. Karriere, Familie, politische oder religiöse Aktivitäten, körperliche Fitness, Bildung und andere Aktivitäten zur Selbstverbesserung nagen allesamt an unserer kostbaren Zeit und zapfen unsere beschränkte Energie an.



In Kombination mit der Devise »mehr, besser« setzt uns diese Tatsache unter beträchtlichen Druck. Das ist der Grund, warum viele von uns das Gefühl haben, ihr Leben sei außer Kontrolle geraten.

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