29 November 2006

Positives Denken birgt auch Gefahren

Richtiges positives Denken motiviert zu konstruktiven Handlungen

Positives Denken kann zur Passivität verführen: „Der Herr wird's schon richten!“ Der Herr hat jedoch keine anderen Hände als unsere eigenen. Wenn wir zwei hilfreiche Hände brauchen, sollten wir deshalb als Erstes auch einmal am Ende unserer Arme nachschauen.

Wie Ralf Schwarzer nachwies, kann positives Denken dazu verführen, Risiken zu unterschätzen und Vorsorgemaßnahmen zu unterlassen, es verführt zu kurzsichtig und Blauäugigkeit. Wenn wir positiv denken, sollten wir also darauf achten, dass es uns zu konstruktiven Handlungen motiviert.


Die moderne Psychologie unterscheidet in dem Zusammenhang zwischen funktionalem und dysfunktionalem Optimismus, also einem, der für Sie arbeitet, und einem, der Sie eher zerstört.

Den Unterschied erkennen Sie sehr klar: Wenn Sie ein Gedanke dazu motiviert, sich mit der Welt und ihren Umständen konstruktiv auseinander zusetzen und die Dinge anzupacken, ist er positiv. Wenn er zur Passivität verführt, ist er negativ.

Falsch verstandenes positives Denken kann auch zur Selbstüberschätzung führen. Aufgrund der unrealistischen Betrachtung der eigenen Fähigkeiten und Möglichkeiten werden Erfolge für selbstverständlich gehalten statt schrittweise aufgebaut.

Man verpasst es, die notwendigen Voraussetzungen für den angestrebten Erfolg zu schaffen, die Dinge im Detail abzusichern. Aus eigener Überhöhung unterlässt man es, ein Netzwerk von Verbündeten aufzubauen, stabile und ethisch hochwertige Beziehungen zu schaffen.

Oftmals schlägt man sogar notwendige Hilfsangebote aus, weil man meint, alles allein schaffen zu können.

Dysfunktionaler Optimismus in Verbindung mit Selbstüberschätzung kann dazu führen, dass man sich zu wenig vorbereitet, das Kleingedruckte in Verträgen überliest oder schlicht und einfach seine Schulaufgaben nicht macht.


Der Psychologe Andreas Helmke weist in seinem Werk Selbstvertrauen und schulische Leistungen z. B. nach, dass sich Schulkinder, die sich selbst überschätzen, nicht ausreichend auf ihre Klassenarbeiten vorbereiten und deshalb schlechte Noten erhalten. Die anstehenden Aufgaben, Notwendigkeiten und gegnerischen Kräfte werden unterschätzt oder gar ignoriert.

Jemand, der so denkt, könnte etwa einmal darüber nachsinnen, warum in buddhistischen Traditionen der Kampfsport einen so hohen Stellenwert hat und viele große buddhistische Meister zugleich exzellente Kampfsportler waren: Bevor wir unserem wahren Selbst die Herrschaft überlassen können, müssen wir erst einmal unser niederes Selbst besiegen.

Erinnern wir uns in dem Zusammenhang auch daran, dass im positiven Denken eine Chance liegt, die notwendigen Mittel bereitzustellen; dies aber den Weg selbst nicht ersetzt. Hochmut kommt vordem Fall.

P. M. Gollwitzer wies in einer Studie nach, dass leichtgläubiges positives Denken Fehlentscheidungen begünstigen kann. Insbesondere sollte der »Anwender« des positiven Denkens klar unterscheiden, ob er sich mit seinen Gedanken gerade in eine Wunschphantasie begibt oder eine realistische, motivierende Erwartungsspannung erzeugt, die aber stets den Prüfungen des Alltags stand halten muss.

Viel zu leicht verwechselt der »Anwender« Wunschdenken mit Intuition oder höherer Eingebung, statt sich darin zu üben, die eigene Wahrnehmung zu trainieren und mit anderen Menschen und Faktoren abzustimmen. Intuition muss trainiert und immer wieder rückgekoppelt werden, bis sie zuverlässig ist. Hier empfiehlt sich insbesondere ein Intuitionstraining.

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