27 Juni 2006

Hilfe und Helfen (30)

Erwarten Sie von niemandem Hilfe, ehe Sie nicht alles Ihnen Mögliche getan haben, um sich selbst zu helfen

Wer sich auf den Weg zur persönlichen Freiheit begibt, sollte der Auseinandersetzung mit dem Begriff des Helfens nicht aus dem Wege gehen. Unsere Gesellschaft hat das Helfen zu einer idealisierten Verpflichtung stilisiert. Wer hilft, ist ein guter, edler Mensch. Eine christliche Maxime lautet: Vor dem Jüngsten Gericht wirst du einst danach gemessen, was du anderen Menschen Gutes getan hast. Kein Wort davon, dass das Helfen längst zu einem florierenden Business geworden ist.

Kein Wort auch davon, in welche Abhängigkeit wir jemanden bringen, bei dem wir durch unsere Hilfe Hoffnungen erwecken, die zu erfüllen wir gar nicht gewillt sind. Genau betrachtet, leben wir in einer Gesellschaft zweier Klassen: die Hilflosen und die Helfer. Diese Klassifizierung mag Ihnen maßlos übertrieben erscheinen. Aber überlegen Sie doch einmal, von welchen Helfern Sie selbst abhängig sind und für welchen Preis:

An wen wenden Sie sich bei Kopfweh, Husten, Depression oder Schlaflosigkeit?
Von wem erwarten Sie Schutz vor Einbruch, Überfall oder Betrug?
Wer hilft Ihnen in Ihrer Angst vor Arbeitslosigkeit?
Wo leihen Sie sich das Geld, um etwas zu kaufen, was Sie sich nicht leisten können?
Von wem erwarten Sie, dass er in Ihrem Namen für Recht und Ordnung sorgt? Und so weiter und so fort.


Unsere Welt ist voll von Helfern, die jederzeit bereit sind, uns glücklich zu machen. Zumindest versprechen Sie es uns, und wir fallen blind auf diese Versprechungen herein. Auch auf den Anschein, den sie zu erwecken versuchen: Dass sie alle nur unser Wohl im Auge haben. Ganz zu schweigen von denen, die jederzeit bereit sind, aller Welt selbstlos zu helfen und uns ständig bedrängen, sie dabei zu unterstützen.


Eines steht außer Zweifel: Je öfter wir uns helfen lassen, um so hilfloser werden wir. Herr Doktor, sagen manche Leute, tun Sie nur, was Sie für richtig halten. Und was geschieht? Der Hausarzt verschreibt Medikamente, der Chirurg wird operieren, der Psychiater hört sich Ihre Probleme an nicht selten fünf oder zehn Jahre lang. Jeder hilft Ihnen so, wie er es für richtig hält und womit er seinen Unterhalt verdient. Aber ist das die Hilfe, die Sie wirklich brauchen?


Statt immer nur zu fragen: Wer hilft mir, sollten Sie sich die Frage stellen: Was kann ich rechtzeitig selbst tun, um erst gar nicht fremde Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen? Nun, was tun Sie?

Was tun Sie an jedem Tag selbst, um gesund zu bleiben - obwohl Sie ganz genau wissen, was Sie tun sollten?
Sind Sie bereit, auf etwas zu verzichten, wenn es Sie für die nächsten zehn Jahre von Ihrer Bank abhängig machen würde?
Das sind nur zwei von unzähligen Fragen, die Sie sich stellen sollten, wenn Sie Ihre Einstellung zum Helfen überdenken.

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