26 Juni 2006

Fußballer triumphieren - Andere schreiben 70

Was Sie nicht sagen können, sollten Sie schreiben

Wenn Sie Ihr Leben überdenken, werden Sie immer wieder auf die beiden Gegenpole stoßen: ausleben oder verdrängen, loslassen oder klammern, befreien oder unterordnen. Anders gesagt: Lebe ich so, wie ich leben möchte, oder ordne ich mich den Tabus und Zwängen unter, die mir anerzogen werden? Ist es nicht erstaunlich: Alle wollen gesund sein, aber sie tun viel mehr gegen Krankheiten, als sie für das Gesundbleiben tun könnten.

Alle wollen glücklich und frei sein, aber die meisten Menschen unternehmen viel mehr zur Selbstverleugnung als für ihre Selbstbefreiung. Sie unterdrücken Gefühle, verdrängen das Bedürfnis, ihren Zorn, Trauer oder Freude spontan zu äußern. Gar nicht davon zu reden, wie viel sie verschweigen, was sie unbedingt sagen sollten, um es loszuwerden.

Und warum? Weil man es nicht tut. Weil es sich nicht schickt. Weil Männer hart und überlegt zu sein haben und Frauen sich davor fürchten, dass ihre Gefühle ausgenutzt werden. Aber jeder Gedanke, der uns bewusst wird, und jedes Gefühl, das wir empfinden, verlangt nach Äußerung. Wenn Sie entschlossen sind, Ihr Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben, müssen Sie Ihren Vorstellungen und Bedürfnissen eine Chance geben, Realität zu werden.

Es ist besser, Sie machen Fehler und leiden unter Krisen, als Sie verdrängen, was Sie bewegt. Denn jede Verdrängung ist ein Schritt der Selbstverleugnung. Selbstbewusstsein aber können Sie nur trainieren, indem Sie sich bewusst der dynamischen Kräfte Ihrer Gedanken und Gefühle zur Selbstverwirklichung bedienen.


Zu lachen, wenn Ihnen nach Lachen zumute ist. Sich spontan von Zorn oder Demütigung zu befreien, mag Ihnen den Unmut anderer Leute einbringen. Aber es ist besser, andere Leute fühlen sich gekränkt, als Sie kränken sich selbst. Natürlich gibt es Situationen im täglichen manipulativen Spiel mit Ihrer Mitwelt, in denen es besser ist, Sie zeigen aus taktischen Gründen Ihre Gefühle nicht.

Trotzdem sollten Sie sie nicht verdrängen. Das bewährteste Ventil ist das Schreiben. Künstler, Dichter, Schauspieler oder Sportler benutzen ihren Beruf zur Selbstbefreiung. Sie meißeln ihre Frustrationen in Stein oder projizieren ihre Verdrängungen in Romanfiguren.

Und wenn Fußballspieler vor Millionen Fernsehzuschauern über einen Sieg triumphieren, befreien sie sich spontan von einem Gefühl. Sie leben es im Augenblick der Empfindung aus, um sofort wieder frei zu sein für neue Anforderungen. Wenn Sie kein Fußballstar sind, bleibt Ihnen immer noch der befreiende Weg des Schreibens.

Befreien Sie sich durch Aufschreiben. Teilen Sie Ihre Phantasien und Gefühle, die Sie nicht äußern können oder wollen, mit jemandem, von dem Sie das größte Verständnis erwarten dürfen: mit sich selbst. Schreiben Sie alles auf, auch das angeblich Unaussprechbare, um sich davon zu befreien. Statt sich in die Ausrede zu flüchten: Ich schweige lieber, weil mich ja doch niemand versteht.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen